Schon wieder hat ein Gericht klargestellt, dass den sogenannten „24 Stunden Pflegekräften“ aus dem Ausland, der Mindestlohn in der Pflege zusteht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat so geurteilt. Leider halten sich viele Anbieter dieser 24-Stunden-Pflege nicht daran.
Es ging um Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2015 und vom 1. Oktober 2015 bis zum 31. Dezember 2015. Die Klägerin (in diesem Fall eine Pflegekraft aus Bulgarien) bekam 38.377,50 Euro brutto abzüglich 6.680,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, zugesprochen.
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE200014629
Das Landesarbeitsgericht stellte einen Leitsatz auf:
Leitsatz
1. Machen aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union entsandte Arbeitnehmer*innen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz geltend, sind dafür die deutschen Gerichte international zuständig. Auf die Dauer der Entsendung kommt es nicht an.(Rn.61)
2. Die Beurteilung von Ansprüchen nach dem Mindestlohngesetz richtet sich nach deutschem Recht. Das gilt nicht nur für die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, sondern auch für die Voraussetzungen, unter denen er zu zahlen ist.(Rn.72)
3. Wer einen oder eine Arbeitnehmer*in einer Arbeitssituation aussetzt, in der er oder sie einem Aufgabenspektrum unterliegt, das nur mit einer bestimmten Stundenzahl zu leisten ist, muss die geleisteten Stunden vergüten. Das gilt auch im Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes. Besonderheiten einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit stehen dem nicht entgegen; deren Berücksichtigung verstieße gegen internationale Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der internationalen Arbeitsorganisation.(Rn.88)
4. Bei Arbeitnehmer*innen, die zur häuslichen Betreuung eingesetzt werden, ist eine solche Situation gegeben, wenn der oder die Arbeitgeber*in durch die Vereinbarung eines bestimmten Leistungsspektrums bei der zu betreuenden Person die Erwartung auslöst, rund um die Uhr betreut zu werden, und die Aufgabe, eine arbeitsvertraglich vereinbarte kürzere Arbeitszeit durchzusetzen, dem oder der Arbeitnehmer*in zuweist. Soweit es dem oder der Arbeitnehmer*in im Einzelfall zumutbar ist, sich den Anforderungen zu entziehen, sind entsprechende Abzüge vorzunehmen (im vorliegenden Fall drei Stunden pro Kalendertag).(Rn.91)
5. Auf die arbeitsvertragliche Festlegung einer kürzeren Arbeitszeit kann sich der oder die Arbeitgeber*in nach dem aus den Grundsätzen von Treu- und Glauben folgenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen. Das folgt auch aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht der Berufsfreiheit und – ihre Anwendbarkeit unterstellt – aus dem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Recht auf würdige Arbeitsbedingungen.(Rn.98)
6. Ob ein Verstoß gegen Treu- und Glauben gegeben ist, beurteilt sich nach deutschem Recht. Das ergibt sich jedenfalls daraus, dass inländisches Recht zumindest insoweit anzuwenden ist, als Gegenteiliges offensichtlich gegen die inländische öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt.(Rn.108)
7. Sachleistungen sind auf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz nicht anzurechnen.(Rn.110)
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE200014629